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Siebenbürgen-Reise (1996)

Route

Nachdem die Gruppe sich reichlich am Frühstücksbuffet im Hotel Continental gestärkt hat, beginnt um 9:30 Uhr unsere Stadtführung durch Hermannstadt / Sibiu unter der Leitung von Prof. Clemens (pensionierter Lehrer des deutschsprachigen Brukenthal-Gymnasiums und Vorsitzender des Forums der Deutschen in Hermannstadt). Begleitet werden wir auch von Prof. Bötticher, Lehrer am Brukenthal-Gymnasium. Prof. Clemens zeigt uns zunächst das Kulturhaus der Gewerkschaften neben unserem Hotel. Es hat zwei Säle für 700 und 250 Personen, eine Disco und ein Restaurant. Hier findet u.a. alle zwei Jahre das Treffen der Deutschen in Hermannstadt statt. Zuletzt nahmen 650 der noch in Hermannstadt verbliebenen 3000 Deutschen teil. Dies ist nur noch 1/10 der ursprünglichen deutschen Bevölkerung.

Unser Weg ins Zentrum führt uns an dem einzigen Theater in Hermannstadt vorbei. Es hat 120 Plätze und es wird in deutsch und rumänisch gespielt. Wir sind sehr erstaunt, als wir von Prof. Clemens ermahnt werden, den auf der Straße stehenden Bettlern nichts zu geben. Betteln sei verboten, würde aber toleriert. Die Bettler hätten es nicht nötig, seien arbeitsscheu und Arbeit gäbe es genug. Die Behinderten unter den Bettlern bekämen Sozialhilfe.

Über den Vereinigungsplatz, früher Hermannplatz und Auf den Brettern, unter denen früher der Trinkbach floß, kommen wir in die Altstadt. An der Heltauer Str. verlief früher die Stadtmauer. Sie hatte 28 Türme und zwar aus Ziegeln gebaut, daher auch der Name Rote Stadt. Hermannstadt war früher eine rein deutsche Stadt. Rumänen lebten ex mures (außerhalb der Stadtmauern) und mußten abends die Stadt verlassen. Unser weg zum Großen Ring führt uns durch die Balcescu Str. Hier sind viele alte Häuser zu bewundern, u.a. das Hotel Römischer Kaiser, bestes Hotel am Platze. Hermannstadt war immer eine Provinzstadt und es gab mit einigen kleinen Ausnahmen keinen Adel; daher fehlen hier Paläste, die z.B. das Bild von Klausenburg, Kronstadt oder Neumarkt prägen. Der Große Ring war früher der Marktplatz, wo die Händler ihre Waren anboten. Der Platz wird geprägt durch: die katholische Stadtpfarrkirche, das Gebäude der ehemaligen Bodenkreditanstalt, den Bruckenthalpalast und den Bischofspalast.

Auffällig ist ein blaues Haus, eines der ältesten in Hermannstadt, die ehemalige Polizeiquestur. Im Giebel ist das Wappen von Hermannstadt abgebildet. Es zeigt zwei gekreuzte und gekrönte Schwerter, Symbol für zwei Sachsenführer, die bei ihrer Ankunft ihre zwei Schwerter als Zeichen der Inbesitznahme des Landes in den Boden gesteckt haben. Drei Seerosenblätter symbolisieren die damals sumpfige Landschaft, die Krone steht für den Königsboden.

Die Häuser am Großen Ring haben teilweise große, mehrgeschossige Dächer. Hier lebten Handwerker, die im Erdgeschoß ihre Geschäfte und Werkstätten hatten, darüber wohnten und im Dach ihre Vorräte lagerten. Ein altes Eckhaus am südöstlichen Ende des Platzes ist der heutige Sitz des Deutschen Forums, der politischen Vertretung der deutschen Minderheit.

Überall in der Stadt wird man an das Wirken von Samuel Brukenthal erinnert, den großen Förderer der Stadt. Er galt als Favorit der Kaiserin Maria-Theresia und war zu ihrer Regierungszeit 10 Jahre Gouverneur von Siebenbürgen. In seinem herrlichen Palast ist heute seine Kunstsammlung ausgestellt, die seine Nachkommen dem deutschen Lyzeum vermacht haben.

Es geht weiter zum Kleinen Ring. Hier ist um die evangelische Kirche der älteste Stadtteil angesiedelt. Durch eine Unterführung laufen wir unter der wunderschönen, gußeisernen Lügenbrücke hindurch zur Unterstadt, wo wir das Spital für Gesellen, Durchreisende und Einheimische als ältestes Gebäude in Hermannstadt (1291) bewundern. Es wurde von dem Orden der Benediktiner betrieben und wird heute noch als Altenheim benutzt. In der Unterstadt verweilen wir am Weinanger. Da in Hermannstadt kein Wein angebaut wird, wurde im Grünen Haus der von außerhalb gelieferte Wein gelagert und verkauft. Der Stadtrundgang endet mit dem Aufstieg zur Oberstadt, entlang der alten Ziegel-Stadtmauer. Auf Empfehlung von Prof. Clemens können wir diesen anstrengenden Vormittag in einem gemütlichen rumänischen Restaurant beenden, wo wir noch einmal die Gelegenheit haben, uns den Nationalgerichten Ciorba und Mamaliga in diversen Variationen zu widmen.